Wirecard AG

Die Wirecard AG ist ein 1999 gegründetes, börsennotiertes deutsches Zahlungsdienstleistungsunternehmen mit Sitz in Aschheim bei München. Wirecard bietet als Innovationstreiber für digitale Finanztechnologie Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, das Risikomanagement sowie die Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten an. Einfach gesprochen bedeutet das: wenn ein Kunde mit Kreditkarte zahlt, fließt das Geld von Mastercard, Visa u.a. nicht direkt an den Händler, sondern zuerst an Wirecard, die das Geld dann an den Händler weiterleitet. Wirecard verdient dabei Provisionen dafür, dass sie das Risiko trägt und dafür garantiert, dass die Geldbeträge beim Empfänger ankommen.

Der Aktienkurs des in Deutschland einzigartigen Technologieunternehmens hat sich seit 2005 in der Spitze mehr als verhundertfacht. So betrug der Kurs Anfang 2009 noch einen einstelligen Eurobetrag und stieg im Verlauf auf einen Höchstkurs von knapp 200 €. Wirecard stieg dabei innerhalb von wenigen Jahren aus dem Nichts im September 2018 in den deutschen Aktienindex (DAX) auf.

Wirecard begleitet allerdings schon seit Jahren massive Kritik von Seiten des Finanzmarktes. Bereits im Jahr 2008 gab es erste Vorwürfe von Bilanzmanipulation und laute Zweifel an der Seriosität und professionellen Unternehmensstrukturen.

Seit Anfang 2019 wurden neue, massive Vorwürfe erhoben. Hierbei war u.a. von fingierten Umsätzen, überhöhten Kaufpreisen von Gesellschaften zur Bereicherung von Managern, falsch ausgewiesenen Krediten und Kreislaufbuchungen über Gesellschaften in den Vereinigten Arabischen Emiraten, den Philippinen und Singapur die Rede.

Bereits im April 2019 hatte die Finanzaufsichtsbehörde BaFin nach heftigen Kursunregelmäßigkeiten der Wirecard erstmalig ein zweimonatiges Verbot von Leerverkäufen aufgrund des Verdachts der Marktmanipulation verhängt. Eine von Wirecard selbst beauftragte Untersuchung einer in Singapur ansässigen Anwaltskanzlei hat ergeben, dass Mitarbeiter in dem südostasiatischen Inselstaat tatsächlich gegen Bilanzregeln verstoßen haben sollen.

Aufgrund der anhaltenden Kritik gab der Zahlungsdienstleister Wirecard eine weitere unabhängige Untersuchung nebst Erstellung eines Sondergutachtens in Auftrag. Als dieses Sondergutachten Ende April 2020 schließlich veröffentlicht wurde, brach der Aktienkurs der Wirecard um ca. 40 % ein, da im Prüfungsergebnis die in Rede stehenden Vorwürfe nicht vollumfänglich ausgeräumt werden konnten. Insbesondere konnten u.a. Hintergrund und Existenz von asiatischen Treuhandkonten nicht abschließend beurteilt werden.

Der Veröffentlichungstermin für den Jahres- und Konzernabschluss 2019 musste am 18. Juni 2020 erneut verschoben werden. Wirecard wurde von dem Abschlussprüfer darüber informiert, dass kein Testat erteilt werden könne, da über die Existenz von 1,9 Milliarden Euro auf Treuhandkonten noch keine ausreichenden Prüfungsnachweise vorlagen. Der Aktienkurs brach in der Folge mehrfach massiv ein. Die Wirecard-Aktie war mit zeitweise 12,99 Euro so billig wie zuletzt vor acht Jahren. In der 25. KW war eine Wirecard- Aktie noch mit über 100 Euro gehandelt worden.

Inzwischen gilt als gesichert, dass sich die bilanzierten Treuhandgelder entgegen der anfänglichen Angaben von Wirecard nicht auf den behaupteten Treuhandkonten auf den Philippinen befinden. Die philippinischen Banken BDO Unibank und Bank of the Philippine Islands haben am 19.06.2020 mitgeteilt, dass Wirecard kein Kunde bei ihnen sei. Am 22.06.2020 teilte Wirecard im Rahmen einer Ad-hoc Mitteilung selbst mit, dass die verschwundenen 1,9 Milliarden Euro mit "überwiegender Wahrscheinlichkeit" nicht existieren.

Wirecard erstatte nach eigenen Angaben Strafanzeige gegen Unbekannt. Das Unternehmen sieht sich als mögliches Opfer eines "gigantischen Betrugs".

Markus Braun, Gründer  und von Januar 2002 bis Juni 2020 geschäftsführendes Vorstandsmitglied und technischer Direktor der Wirecard AG trat am 19. Juni 2020 nach eigenen Angaben mit sofortiger Wirkung als CEO von Wirecard zurück.

Jan Marsalek, seit dem Jahr 2010 Vorstandsmitglied der Wirecard AG stand bereits vor einem Jahr unter dem Vorwurf, als zuständiger Manager für die obskuren Drittpartner-Firmen in den Bilanzskandal persönlich involviert zu sein. Am 18.06.2020 hat der Aufsichtsrat der Wirecard AG das Vorstandsmitglied Jan Marsalek mit sofortiger Wirkung widerruflich bis zum 30. Juni 2020 von seiner Tätigkeit als Vorstand der Wirecard AG freigestellt. Mittlerweile wurde Marsalek fristlos gekündigt.

Nach der Ernennung von Dr. James H. Freis, zum Compliance-Vorstand mit dem neu geschaffenen Ressort "Integrity, Legal and Compliance" folgte innerhalb eines Tages, nach dem Rücktritt von Markus Braun, seine Ernennung zum Interims-Vorstandschef.

James Freis wurde bereits im Mai 2020 in den Vorstand der Wirecard berufen worden, um die Vorwürfe schlechter Unternehmensführung und mangelnder Compliance bei der Wirecard auszuräumen. Herr Freis war im Vorfeld u.a. Group Chief Compliance Officer und Gruppen-Geldwäschebeauftragter, Deutsche Börse AG sowie Director (CEO), Financial Crimes Enforcement Network (FinCEN), Finanzministerium der Vereinigten Staaten, Washington, D.C., Vereinigte Staaten

Die Bafin erstattete ihrerseits bereits im Mai 2020 aufgrund des Verdachts der Marktmanipulation Anzeige gegen den Vorstandvorsitzenden Markus Braun und drei weitere Vorstandsmitglieder von Wirecard.

Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft München I Ermittlungen u.a. wegen des Verdachtes, Braun, Marsalek und deren bisherige Vorstandskollegen hätten den Börsenkurs des Zahlungsdienstleisters manipuliert. „Wir prüfen alle in Betracht kommenden Straftaten“, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München I am Montag, den 22.06.2020 mit.

Gegen Herrn Markus Braun wurde Haftbefehl erlassen. Er hat sich am Abend des 22.06.2020 der Staatsanwaltschaft München I gestellt und wurde festgenommen.

Es wird vor allem aufzuklären sein, ob die Verantwortlichen der Wirecard bereits zu einem viel früheren Zeitpunkt von den Unregelmäßigkeiten Kenntnis erlangt haben; dafür sprechen interne Unterlagen aus Mai 2018 und auch die Tatsache, dass bereits in 2018 interne Ermittlungen angestellt wurden bzw. ein Gutachten bei einer indischen Kanzlei in Auftrag gegeben wurde.

Börsennotierte Aktiengesellschaften müssen den Kapitalmarkt informieren, wenn intern bekannte Vorgänge geeignet sind, den Aktienkurs zu beeinflussen. Dies ist vor dem 22.06.2020 möglicherweise nicht ausreichend geschehen; es ist demnach davon auszugehen, dass die Wirecard sich gegenüber Anlegern aus § 97 WPHG (Haftung für unterlassene Kapitalmarktinformation) schadensersatzpflichtig gemacht haben könnte. Klagen sind bereits vor dem Landgericht München anhängig; auch die Einleitung eines Verfahrens nach dem Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz ist beantragt.

Anlegern, Aktionären und Inhabern sonstiger Forderungen wird empfohlen, sich umgehend an die auf das Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei Mattil & Kollegen zu wenden.

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